Désirée Grundbacher war zu Zeiten, als Spielerinnen wie Lara Dickenmann, Martina Moser und Ramona Bachmann zum Stamm des Schweizer Frauen-Nationalteams zählten, eine Mittelfeldspielerin mit viel Talent. Ein schnörkelloses, zielgerichtetes Spiel verbunden mit ausgeprägtem Teamgeist zeichneten die Bümplizerin aus. Sie spielte so, wie sie heute in den grossen Stadien des Weltfussballs als Schiedsrichterin auftritt. Gradlinig, unaufgeregt in der Absicht, die bestmögliche Leistung zu erbringen.
Sie war 13-fache Nationalspielerin, Cupsiegerin und Vizemeisterin, als ihr ein Vertrag als Halbprofi bei GC auf dem Tisch vorlag. Doch für viele überraschend entschied sie sich gegen GC und für das Schiedsrichterwesen. Schon damals pfiff sie Spiele in unteren Ligen, bewies viel Talent und erhielt deshalb vom Verband das Angebot, in eine höhere Liga aufzusteigen, doch nur unter der Bedingung, dass sie vom aktiven Fussball zurücktritt. Désirée Grundbacher entschied sich gegen die Aktivkarriere als Spielerin und so begann ihr kometenhafter Aufstieg als Unparteiische. Schon 2012 wurde sie FIFA-Schiedsrichterin, im April vergangenen Jahres pfiff sie ihre erste Partie in der Super League und acht weitere Begegnungen sind bereits dazugekommen. Ende März bot der Schweizerische Fussballverband Désirée Grundbacher als Schiedsrichterin des Finals des AXA Women’s Cup zwischen dem FC Basel 1893 und dem FC Zürich auf. Dies war keine Überraschung. Eine Premiere im Schweizer Fussball war hingegen, dass sie von zwei Frauen (Susanne Küng und Linda Schmid) assistiert wurde und auch die vierte Offizielle, Laura Mauricio, ebenso wie die VAR im Video Operation Room in Volketswil (Michèle Schmölzer und Déborah Anex) ausschliesslich Frauen mit FIFA-Status sind.
Und jetzt die UEFA Women’s EURO
Vom 2. bis 27. Juli findet in der Schweiz die UEFA Women’s EURO statt und es war zu erwarten, dass neben dem Schweizer Nationalteam auch Désirée Grundbacher als Schiedsrichterin im Einsatz sein wird. Weil die UEFA den Schiedsrichterinnen ein «silenzio stampa» auferlegte, darf uns die Frau aus dem Westen Berns im Moment keine Auskunft erteilen. Doch aus einem Gespräch, das wir vor vor einiger Zeit mit Grundbacher führten, wissen wir, was die Frau, die in einem Match auch einmal 14 Kilometer läuft, zu ihrem Wechsel von der Fussballerin zur Schiedsrichterin sagt: «Ich war es satt, all meine Ferien für Nationalteam-Zusammenzüge aufzuwenden, ich hatte andere Ziele. Ich wollte eine Familie gründen, Kinder haben – das alles hätte sich mit dem Leben als Halbprofi neben dem Beruf nicht vereinbaren lassen.»
Mutter von zwei Buben
Mittlerweile ist jedoch die Belastung für die Mutter von zwei Kindern nicht kleiner geworden. Sie arbeitet zu 50 Prozent bei einer Krankenkasse und hält sich mit viermal wöchentlichem Training fit, «denn wenn man fit ist, befindet man sich näher am Ball, hat mehr Sauerstoff im Kopf und kann so bessere Entscheide fällen», erklärte sie in einem Gespräch auf SF DRS.
Das unschlagbare Traumduo
Begonnen hat die Fussball-Leidenschaft bei Désirée Grundbacher wie auch bei vielen «Bärner Giele» in den Achtzigerjahren auf einer Wiese an der Melchiorstrasse: Baykal Kolagsizoglu-Bellusci und Désirée Grundbacher besuchten im Bethlehemacker zusammen die Schule und jagten in jeder freien Minute dem Lederball hinterher. Wurden Mannschaften zusammengestellt, wollten alle mit Désirée und Baykal im selben Team sein. Kein Wunder: Désirée wurde 13-fache Nationalspielerin und ist heute FIFA-Schiedsrichterin, Baykal spielte lange in der obersten Spielklasse in der Schweiz, der Bundesliga, der Türkei und in Bulgarien. Sie waren die Besten, verstanden sich blind und sind noch heute eng mit dem Fussball verbunden, Baykal als Beraterin von Spielern, Désirée als Unparteiische.
Vom Westen Berns ging es für die heutige Spitzenschiedsrichterin weiter. Bei ersten Versuchen beim FC Bethlehem und beim FC Ostermundigen (1. Liga und Nationalliga B) wurde schon bald einmal ihr überdurchschnittliches Talent erkannt und so wechselte sie in die Nationalliga A zum FC Rot-Schwarz Thun, der bekanntlich ab nächster Saison in den FC Thun integriert wird. Zwei Jahre lang trug sie das Dress der Oberländerinnen, ehe sie von GC verpflichtet wurde und erste Aufgebote ins Nationalteam erhielt, nebenbei pfiff sie Spiele in unteren Ligen. Grundbacher war eine der ersten Schweizer Spielerinnen, denen ein Vertrag als Profi angeboten wurde, doch gleichzeitig meldete sich die Schiedsrichterkommission und teilte ihr mit, dass eine Promotion nach oben nur möglich sei, wenn sie ihre Spielerkarriere beende. Schweren Herzens entschied sich Grundbacher gegen die Aktiv-Karriere und setzte voll auf die Schiedsrichterei. Und das war gut so. Die Schweiz verlor zwar eine Nationalspielerin, der Fussballverband, später auch die UEFA und die FIFA, gewannen jedoch eine Schiedsrichterin, die heute nicht nur in der Schweiz zu den Allerbesten zählt.
Foto: SFV
