WOHNZIMMERDINNER

Kulinarischer Geheimtipp Tägertschi

Das Ehepaar Daniela und Matthias Zürcher setzte eine ungewöhnliche Idee in die Tat um: Es kredenzt seit 2022 sechsmal im Jahr, jeweils freitags/samstags, sogenannte «Wohnzimmerdinner» in seinem Eigenheim in Tägertschi. Die fünfgängigen Menüs sind kulinarische Höhenflüge.

Das eher unscheinbare, aber schmucke Doppeleinfamilienhaus an der Unteren Weinhalde 37 im ländlichen Tägertschi (Gemeinde Münsingen) befindet sich in einem ruhigen Wohngebiet des 500-Seelen-Dorfes. Nichts deutet darauf hin, dass sich hinter den weissgetünchten Mauern an sechs Wochenenden zwischen Januar und November ein Familienwohnzimmer jeweils in ein kleines Restaurant verwandelt. Aber der Reihe nach.

Nach der Corona-Pandemie, als die Beizen bis Ende Mai 2021 geschlossen waren, überraschte Matthias Zürcher seine Frau Daniela mit der Idee, ein kleines Restaurant zu eröffnen. «Die Idee kam nicht gut an», erinnert sich Matthias Zürcher heute lachend. Dabei dachte er bloss an «etwas Kleines, Feines. Eine Person in der Küche, höchstens zwei im Service.» Geeignete Lokale hätten sich damals einfach finden lassen, sagt er. «Nicht wenige Restaurants blieben geschlossen und waren zu haben.» Trotz heftigem Widerstand von Gattin Daniela insistierte Matthias weiter. Steter Tropfen höhlt den Stein; Daniela war schliesslich einverstanden und schlug vor, die Gäste nicht in einem externen Gebäude zu bewirten, sondern im trauten Heim zu bekochen. Weniger begeistert vom Vorhaben der Eltern waren die halbwüchsigen Kinder. Auch heute sei noch eine gewisse Zurückhaltung vorhanden, obwohl die Tochter jeweils freitags im Service mithelfe, währenddem sich der Sohnemann im Ausgang oder an einem Fussballmatch vergnüge, schmunzelt Mutter Daniela.

Strenge Auflagen
Für das Ehepaar war klar, dass es aufgrund der Platzverhältnisse und der personellen Kapazitäten höchstens 14 Gäste in seinem Wohnzimmer wird empfangen können. Via Gemeinde reichte Matthias Zürcher das Gesuch für «eine gastgewerbliche Einzelbewilligung» an den Regierungsstatthalter ein. Ein ausführliches Hygienekonzept sowie eine Speise- und Getränkekarte wurden beigelegt – für den langjährigen Berufskoch keine «Fremdwörter». Die Behörden liessen sich mit der Bewilligung Zeit, denn das Projekt war in dieser Form im Kanton Bern einmalig.  

Das Vorhaben war mit Investitionen verbunden. So mussten Zürchers mit Tischen und Stühlen aufrüsten, damit aus dem Wohnzimmer ein veritables Beizli entstehen konnte. Damit aber nicht genug: Das Lebensmittelgesetz verlangt eine strikte Trennung zwischen privatem und gewerblichem Gebrauch von Arbeitsflächen, Besteck, Geschirr und Lebensmitteln. Die Lebensmittel für die Wohnzimmerdinners werden deshalb in einem separaten Kühlschrank aufbewahrt, um nur ein Beispiel zu nennen. 

Die seriösen Vorbereitungen haben sich aber gelohnt; das Gesuch wurde bewilligt und zwar für zwölf Anlässe pro Jahr. Daniela und Matthias organisieren die Events sechsmal zu zwei Tagen (siehe auch Box). Das Gesuch muss jedes Jahr neu gestellt werden; es erneuert sich also nicht automatisch. Dazu Matthias Zürcher: «Im zweiten Betriebsjahr schauten auch zwei Lebensmittelinspektoren am Vortag eines Dinners bei uns vorbei. Sie verlangten bloss eine bauliche Massnahme: ein Waschbecken im Untergeschoss mit zwei Teilen ‘rein/unrein’. Dieses haben wir inzwischen montieren lassen.»

Nicht Alltägliches
Die Nachbarn wurden von Matthias Zürcher über das Projekt informiert. Damit stiess er vorerst auf Skepsis, «was ich verstehen konnte, denn wir sind kein ‹stilles Gewerbe›», wie er festhält. Befürchtet wurden Lärm und Mehrverkehr. Die Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht; in den bisher drei Betriebsjahren mussten Zürchers keine einzige Beschwerde entgegennehmen. Im Gegenteil: Die Nachbarn räumen für die Dinner-Gäste sogar ihre Parkplätze. In seiner Begrüssung bei den Dinners fordert Matthias die Gäste auf, sich beim Verlassen des Gebäudes ruhig zu verhalten und rasch wegzufahren, damit die Nachtruhe nicht gestört wird. Die Disziplin sei grossartig, lobt er seine Kunden. 

Im April 2022 war es dann soweit und das Paar lud zum ersten Dinner ein. Zu Beginn waren die Anlässe noch nicht ausgebucht, was sich inzwischen geändert hat; eine frühzeitige Anmeldung wird empfohlen!

Nach welchen Kriterien stellt Chefkoch Matthias Zürcher seine Fünfgänger zusammen? «Ich spiele mit verschiedenen Aromen. Die Gäste sollen ein spezielles Geschmackserlebnis erfahren dürfen. Wir kaufen nur saisonale Produkte aus der Region ein.» Und «Chef de service» Daniela ergänzt nicht ohne Stolz: «Butter und Brot stellen wir sogar selbst her.» Aber lassen wir doch ein Beispiel für sich selbst sprechen; Auszug aus dem September-Dinner 2025 als Appetitanreger: 

Kohlköpfli gefüllt, mit Parmesanschaum auf Gourmetlöffel; Rauchlachs-Mousse garniert, Limetten-Dip, Brioche; Arancini, gefüllt mit Kalbfleisch und Gemüse an Peperonisauce; Gourmet-Hirschteller mit Hirschfilet und hausgemachtem Hirschburger, Quitten-Jus, geschmortes Rotkraut, Spätzli; Nusstorte, Passionsfrucht-Mousse, Mini-Hefeteigschnecken.

Es bedarf wohl keiner weiterer Angaben, um das Wasser im Mund zusammenlaufen zu lassen…

Die übersichtliche Weinkarte lässt sich Matthias Zürcher von Urs Messerli, dem Inhaber der Berner Vinothek «mille vins», zusammenstellen. Es sind ausschliesslich europäische Weine, die zu den Menü-Kompositionen passen.

Keine «table d’hôte»
Daniela Zürcher hat die letzten drei Jahre beobachten können, dass sich die Gäste während des Dinners un­terschiedlich verhalten. «Manchmal verläuft das Dinner ruhig, an anderen Abenden herrscht regelrechte ‹Partystimmung›; die Gäste unterhalten sich über die Tische hinweg, besuchen sich gegenseitig.» 

Das Wohnzimmer in Tägertschi unterscheidet sich während der Dinners optisch kaum von einem kleinen Restaurant. Die Gäste werden ihrer Anzahl entsprechend den passenden Tischen zugeteilt: Zweier-, Vierer-, Sechsertische usw. Den grossen Gästetisch, die sogenannte «table d’hôte», sucht man vergebens. «Nicht jeder Gast schätzt es, sich mit fremden Leuten zu unterhalten», begründet Daniela die Aufteilung. «Wir respektieren die individuellen Wünsche.» In südlichen Ländern wäre es wohl gerade umgekehrt… 

wohnzimmer dinner dz 3

Foto: Daniel Zaugg 

PERSÖNLICH

Matthias Zürcher wurde 1968 geboren und wuchs in Freimettigen auf. Der ausgebildete Koch, Kellner sowie Diätkoch und Chefkoch mit eidgenössischem Fachausweis arbeitet seit 2020 als Küchenchef im Alters- und Pflegeheim Schärme in Melchnau.

Daniela Zürcher, geboren 1972, wuchs in Noflen auf. Sie absolvierte die Grundausbildung als Biologielaborantin und ist seit 2002 im Clinical Genomics Lab im Inselspital Bern tätig. Das Ehepaar hat zwei Kinder und lebt in Tägertschi.

INFO

Nächste Daten der Wohnzimmerdinner 2025/26:

09./10. Mai 2025
26./27. September 2025
24./25. Oktober 2025
21./22. November 2025
30./31. Januar 2026

Jeweils von 18 – 23.30 Uhr
Menüpreis pro Person: CHF 89.— (ohne Getränke)
Twint- oder Barzahlung

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