Mit dem Musical «Kiss Me, Kate» bringen die Freilichtspiele Moosegg in diesem Sommer ein spritziges Stück voller Musik, Witz und zwischenmenschlicher Turbulenzen auf die Bühne. Damit
weht ein Hauch von Broadway durchs Emmental. Der BärnerBär hat bei den Proben vorbeigeschaut.
Noch üben die Schauspielerinnen und Schauspieler im Berner Theater Matte. Der Proberaum ist schlicht eingerichtet: ein Tisch, ein paar Stühle, ein rotes Sofa. Simon Burkhalter, künstlerischer Leiter und Schauspieler, kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er gemeinsam mit Marc Clear und Melanie Kurmann auf diesem Platz nimmt. «Das ist übrigens keine Besetzungs-Couch», bemerkt er augenzwinkernd. Die Rollen für das Stück sind denn auch längst vergeben. Melanie Kurmann spielt den Charakter der Lois Lane und obwohl auch ihr die Bretter der Theaterbühne die Welt bedeuten, wäre sie nie so weit gegangen wie diese. «Ich bin überzeugt, dass man seinen Weg auch macht, wenn man sich selbst treu bleibt. Mit einer offenen, ehrlichen und respektvollen Art kommt man auch zum Ziel.» Dennoch gibt es Parallelen zu Lois: «Wie sie sehe auch ich meist das Gute in den Menschen – doch alles für den Traum vom Rampenlicht zu opfern, käme für mich nie infrage. »
Wie nähert man sich eigentlich einer Rolle?
«Manchmal kennt man bereits frühere Inszenierungen, aber ich finde es hilfreich, unvoreingenommen an die Figur heranzugehen», sagt Marc Clear, «so dass sich die Rolle auch im Zusammenspiel mit den anderen entwickeln kann.» Wichtig sei allerdings, dass man zu Probenbeginn sattelfest im Text sei.
Und was, wenn man mit einem Kollegen nicht klarkommt?
«Professionalität ist das A und O. Man kann grundsätzlich mit allen auskommen. Zudem täuscht oft auch der erste Eindruck», sagt Simon Burkhalter. Auch auf die Frage, ob es hilft, die eigene Figur zu mögen, sind sich die drei einig: «Das kann sicher hilfreich sein, muss aber nicht. Manchmal ist es sogar enorm spannend, etwas aus einer Rolle zu machen, die einem so gar nicht entspricht.» Entscheidend sei, so Marc Clear, die eigenen spielerischen Grenzen zu kennen: «Sonst macht man sich unglücklich.» Er spielt im Stück Bill Calhoun – einen charmanten Draufgänger, liebenswerter Tunichtgut voller Energie, Humor und Herz. «Ich würde ihn eher als Unglücksrabe bezeichnen, er ist jung und denkt nicht gross über sein Handeln und dessen Folgen nach. Also da ich ihn spiele, müsste ich wohl sagen: er ist jung im Kopf! Und das entspricht mir sehr!»
Keine faulen Kompromisse
Auch Simon Burkhalter war schon als Kind von der Schauspielerei fasziniert: «Professionelles Lügen fand ich immer spannend», sagt er. Das bewusste Spiel mit der Wirklichkeit, das Erfinden und Verkörpern fremder Identitäten, begeistern ihn bis heute. «Jeden Abend dieselbe Geschichte, aber nie genau gleich – das geht nur auf der Bühne.» Deshalb schlägt sein Herz fürs Theater, der Film ist ihm zu endgültig, zu festgelegt. Das Flüchtige fasziniert ihn, Welten, die entstehen und wieder vergehen. Aber auch für ihn ist klar, dass er keine faulen Kompromisse eingeht. «Wenn die Bedingungen nicht stimmen, dann nicht», sagt er klar. «Schauspiel ist ein Beruf, der fair bezahlt werden soll.»
Um Geld geht es denn auch im Stück «Kiss me, Kate». Eine Theatertruppe, finanziell am Abgrund, wagt sich deshalb an Shakespeares «Der Widerspenstigen Zähmung», obwohl sie dafür weder besonders geeignet noch professionell genug ist. Sie hofft damit aber auf den grossen Durchbruch. Doch die privaten Konflikte der Beteiligten mischen sich bald in die Handlung ein, die Grenze zwischen Rolle und Realität verschwimmt.
Kommt Ihnen das auch bekannt vor?
«Es gehört zum Beruf, dass man Privates und Berufliches trennen kann, das ist essenziell. Schliesslich gibt es ja auch Schauspieler, die seit Jahren ein Paar sind», sagt Marc Clear und Melanie Kurmann ergänzt: «Aber, dass es hinter der Bühne manchmal chaotisch zu und her geht, ist durchaus Alltag. Das ist vielleicht auch ein bisschen der Reiz dieses Musicals, dass man diese Realität auch mal zeigen kann und nicht nur die perfekten Bühnenauftritte.»
Aber darf man dieses Stück heute überhaupt noch aufführen?
Immerhin geht es um die «Zähmung» einer widerspenstigen Frau. Lässt sich das heute noch mit gutem Gewissen spielen? «Die Grundidee ist zweifellos problematisch», räumt das Team ein. Doch genau das mache das Stück interessant für eine moderne Interpretation: «Mich dünkt, es eignet sich sehr gut als Anstoss für Diskussionen über Geschlechterrollen, Machtverhältnisse und Theatergeschichte», präzisiert Simon Burkhalter. «Ausserdem sind die zugrunde liegenden Themen wie Liebe, Eifersucht und Konkurrenz ohnehin zeitlos.» Interessant sei das Musical auch deshalb, weil es ein Stück im Stück sei und so zwei Welten miteinander verbunden würden.
Drehbare Bühne
So reflektiert auch die Bühne dieses Spiel mit den doppelten Realitäten. «Das Bühnenbild ist drehbar gestaltet, um mühelos zwischen Shakespeare-Welt und Theaterprobe zu wechseln», erklärt der künstlerische Leiter. «Wir wollten die beiden Ebenen klar voneinander abgrenzen, ohne aber den Fluss zu unterbrechen. Ausserdem müsse die Bühne in dieser Saison gleich zwei Produktionen tragen, auch «Die schwarze Spinne» werde hier gezeigt. Solche logistischen Vorgaben seien aber nicht hinderlich, sondern vielmehr kreativ spannende Herausforderungen. «Je weniger zur Verfügung steht, desto mehr wird die Fantasie angeregt.»
Was nimmt das Publikum mit?
Gute Laune, viel ohrwurmig schöne Musik – und vielleicht sogar eine neue Sicht auf Shakespeare. «Wer das Stück für die Matur lesen muss, kann hier auf angenehme Art die unterhaltsamere Variante erleben», rät Marc Clear. Auch Shakespeare-Muffel kommen voll auf ihre Kosten, ist das Team überzeugt. «Und ein bisschen schadenfroher Voyeurismus gehört natürlich auch dazu: Schliesslich schaut man doch andern seit jeher gerne zu, wenn sie grandios scheitern!»

