Mit aktuell 207 Mitgliedern gehört der Kramgassleist zu den grössten Leisten der Stadt. In der Kramgasse lebt und arbeitet es sich wie in einem Dorf. Ein Gespräch mit Evelyn Kobelt, Präsidentin, und Gerhard Egger, Kassier und Sekretär.
Sowohl Evelyn Kobelt als auch Gerhard Egger sind aktive Kramgässler und langjährige Leist-Mitglieder: Die ehemalige «Bund»-Journalistin trat 2012 dem Leist bei, wurde 2015 in den Vorstand gewählt und präsidiert ihn seit 2022. Was hat sie zum Beitritt motiviert? «Nach mehreren Umzügen wurde ich 2012 in der Kramgasse schliesslich sesshaft. Für mich ist die Freiwilligenarbeit selbstverständlich und ich wollte der Gesellschaft etwas zurückgeben», begründet sie ihre Mitarbeit im Leist. Sie sieht sich als «Übergangspräsidentin», mit dem Ziel, den Vorstand zu verjüngen. An der Hauptversammlung im Frühsommer 2025 wird sie das Präsidium abgeben, hilft aber noch, wenn «Not an der Frau» ist, wie sie lachend erzählt. Die Nachfolge präzisiere sich, verrät sie.
Gerhard Egger, diplomierter Kaufmann HKG und heute bei PostFinance im Kompetenzcenter Nachlass tätig, lebt seit 30 Jahren in der Berner Altstadt und beteiligte sich aktiv in der Kulturszene, so im Kellerkino und beim Strassenmusik-Festival Buskers. 2015 wurde er in den Vorstand des Kramgassleists gewählt; sein grosses Netzwerk kommt ihm im Leistvorstand zugute.
Intensive Mitglieder-Kommunikation
Nach der Charakteristik der Kramgasse befragt, antwortet Evelyn Kobelt blitzschnell: «Wir leben in der schönsten Gasse der Welt!» In der Kramgasse lebe es sich wie in einem Dorf, man kenne sich, in den Läden, in den Restaurants, in den Lauben. Aber auch wer lieber anonym bleiben möchte, sei in der Kramgasse am richtigen Ort.
Es überrascht, dass der Kramgassleist keine grössere Mühe bekundet, Mitglieder zu gewinnen. «Gewiss, von nichts kommt nichts, man muss schon etwas dafür tun», räumt die Präsidentin ein. Die Mund-zu-Mund-Propaganda spiele im Leistgebiet ausgezeichnet. Hausbesitzer machten ihre Mietenden auf den Leist aufmerksam, um nur ein Beispiel zu nennen. Den neuen Geschäften statten die Vorstandsmitglieder persönlich einen Besuch ab und geben einen Informationsflyer der Vereinigten Altstadtleiste (VAL) ab. Neben der vierteljährlich erscheinenden BrunneZytig erhalten alle Mitglieder mindestens einmal monatlich einen elektronischen Newsletter, wo über aktuelle Anlässe wie Fasnacht, Buskers, damit zusammenhängende Verkehrsbeschränkungen usw. informiert wird, «meist noch vor der offiziellen Ankündigung», schmunzelt Gerhard Egger.
Der Leist punktet weiter mit attraktiven Anlässen: Besichtigung mit Workshop im Casa Nobile, wo edle Schokoladen aus eigener Manufaktur feilgeboten werden, Besichtigung des Stadttheaters, des Beatrice von Wattenwyl-Hauses an der Junkerngasse, Altstadtführungen, alle zwei Jahre ein gemütliches Nachtessen in der «Speiseanstalt der Untern Stadt» – kurz «Spysi», die jährliche, gut besuchte Hauptversammlung. Damit nicht genug: Am 1. Advent, wo die Geschäfte der Unteren Altstadt geöffnet sind, organisiert (und finanziert) der Kramgassleist zusammen mit der Samichlouszunft Bärn den Samichlous beim Zytglogge.
Beim Parkierproblem
möchten wir endlich wissen, wie es weitergeht.Evelyn Kobelt
Verschiedene Projekte harren einer Lösung
Evelyn Kobelt ärgert sich, dass die Altstadt vom Fernwärmenetz ausgeschlossen ist. «Bei den Gassensanierungen könnten doch gleichzeitig die nötigen Rohre verlegt werden. Andere Städte machen es vor: In Basel wurde zuerst das am dichtesten besiedelte Gebiet, nämlich die Altstadt, für die Fernwärme fitgemacht. Warum nicht in Bern?», fragt die Präsidentin. «Man zwingt uns nun, mit Biogas zu heizen.» Der Leist lasse aber nicht locker und setze sich dafür ein, dass in den Gassen der Unteren Altstadt, die künftig saniert werden, die für die Fernwärme nötigen Rohre verlegt werden.
Aber auch kleinere, dafür einfacher zu lösende Probleme, treiben den Kramgassleist zurzeit um: Velofahrende, die verbotenerweise die Lauben als Veloweg benützen. Oder Verpflegungsstände, die während der Fasnacht beispielsweise vor einem Restaurant mit Aussenbestuhlung aufgestellt werden. Gerhard Egger nennt eine weitere Unsitte: Mit zunehmendem Touristen-Aufkommen fahren wieder vermehrt deren Busse (verkehrswidrig) durch die Gerechtigkeits- und Kramgasse. Weiter: Seit kurzem ist das Aufstellen von Produkttischen und -ständern sowie Werbebannern in den Lauben untersagt. Noch könnten die Leiste nicht einschätzen, wie die leergeräumten Lauben auf Besuchende wirkten, meint Evelyn Kobelt.
Der Leist kann auch über Erfolge berichten. Die kleinen Weihnachtsbäume, die seit den 1960er-Jahren die Fassaden der unteren Altstadt schmücken, werden seit drei Jahren von der Stadt installiert und finanziert, was die Leistkasse erheblich entlastete. Auch die Fassaden-Beflaggung hat der Leist an die Stadt abtreten können. Evelyn Kobelt doppelt nach: «In diesem Zusammenhang hat die Stadt die Halterungen geändert, ohne die Löcher der alten zuzumauern. Hier haben wir erfolgreich interveniert und die Stadt hat die Löcher wieder mit Sandstein gefüllt!» Der Teufel liegt im Detail … Erfolg verbuchen können die Vereinigten Altstadtleiste auch beim Verein BernCity. Dort schliessen sich Gewerbe-Betriebe, Geschäfte, Dienstleistende, Hauseigentümer, Organisationen, Verbände und Anwohnende in der Berner Innenstadt zusammen, um ihre Anliegen gemeinsam zu vertreten und sich gegenseitig zu unterstützen. Für die Leistmitglieder konnte eine gute Regelung für die doppelte Mitgliedschaft durchgesetzt werden.
Die meisten Anliegen des Leists werden in der Dachorganisation «Vereinigte Altstadtleiste VAL» deponiert und gebündelt den betreffenden Stadtbehörden übermittelt. Als zurzeit grösste Herausforderung nennt Evelyn Kobelt das noch ungelöste Parkierproblem in der unteren Altstadt. «Hier möchten wir endlich wissen, wie es weitergeht». Affaire à suivre …

Fotos: Daniel Zaugg