THOMAS BORNHAUSER

«Hofnarr ist eine passende Bezeichnung!»

Die Vernissage seines neues­ten und – wie er selbst sagt – letzten Buches war restlos ausverkauft. 75 Epi­soden aus einem unge­wöhnlichen Leben wollten sich viele Berner­innen und Berner offenbar nicht ent­gehen lassen. Autor Thomas Bornhauser ist denn auch so ziemlich alles, ausser gewöhnlich.

Zum ersten Mal bewusst von ihm gehört hatte ich damals, im Jahr 2009. Ich bewarb mich auf eine Kommunikations-Stelle bei der Migros Aare und nach mehreren Gesprächen hiess es: «Frau Bauer, Sie haben den Job, allerdings unter einer Bedingung: Sie müssen mit Pressesprecher Thomas Bornhauser klarkommen.» Ich war entsprechend nervös, als wir uns zum Zmittag trafen. Zu Unrecht, wie sich schnell herausstellen sollte, wir verstanden uns blendend. Ungewöhnlich war dieser grossgewachsene Mann schon damals, unangepasst ist vielleicht die noch bessere Umschreibung.

Thomas Bornhauser lacht, als ich ihn daran erinnere. 16 Jahre später sitzen wir uns nun also in seinem Garten gegenüber, er inzwischen längst pensioniert und Autor von insgesamt zehn Kriminalromanen und seinem neuesten Buch, das mit 75 Geschichten passend zu seinem 75. Geburtstag soeben erschienen ist. Als ehemalige Arbeitskollegen duzen wir uns, in der Migros nannten ihn alle nur Bo.

Bo, «ungewöhnlich» war bereits deine Kindheit?
Nun ja, als Sohn eines Diplomaten wuchs ich in New York, Bordeaux und Bern auf, was schon nicht ganz der Norm entspricht! Das hiess: immer wieder neue Freunde finden, eine neue Sprache lernen. Da hilft es, wenn man ein gewisses Selbstvertrauen hat, spontan ist und offen auf Menschen zugeht.

Mit Sprachen, oder besser gesagt, mit Sprechen, hattest du offenbar keine Probleme?
Du sprichst meine zweite Geschichte im Buch an. Ja ja, ich war kein Musterschüler und hab immer zu viel geschwatzt und den Unterricht gestört. Oder wie es im Zeugnis von 1959 formuliert ist: «He still talks out of turn»!

Irgendwie erstaunt mich das grad nicht! New York sollte dann einige Jahre später erneut eine Rolle in deinem Leben spielen.
Genau, 17 Jahre später war ich bei Hotelplan angestellt. Dieser wollte damals spezielle Reisen ennet des grossen Teiches anbieten. Und weil irgendjemand wusste, dass der Bornhauser doch mal in New York gewesen war, schickte man mich kurzerhand hin. Ich sollte ein Programm zusammenstellen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie es dort inzwischen aussah. Aber mit Hilfe von Glück und Zufall kam dann doch alles gut! 

Wie man in einigen deiner Geschichten nachlesen kann. Als Reiseleiter hast du einiges erlebt, selbst eine Ohrfeige hast du abbekommen!
(lacht) Oh ja, obwohl ich gar nichts dafür konnte. Dennoch hab ich den guten Mann total verstanden. Was diesen Reisenden passiert ist, war ja wirklich nichts für schwache Nerven!

Weniger Verständnis hattest du dann hingegen während deiner Zeit bei Chocolat Tobler für hungrige Schoggifans?
Ich präzisiere: Ich hatte wenig Verständnis für solche, die sich während des Rundgangs durch die Fabrik einfach schamlos die Taschen füllten, obwohl sie am Schluss ein ganzes Pack Schoggi erhielten. Wenn also auf einer Führung die Leute zu dreist zulangten, baute ich einen Halt im sehr heissen Temperier-Raum ein. Einen langen Halt. Bei dem ich sehr, sehr viel erzählte. Nach etwa fünf Minuten hatte die Hitze dann auch beim Diebesgut ihre schmelzende Wirkung erzielt!

Der Liebe zur Kommunikation bist du treu geblieben – fast 30 Jahre warst du Pressesprecher bei der Migros Aare. Obwohl du eigentlich gar nicht zu ihr wolltest.
Nein (lacht) wirklich nicht. Als Mitarbeiter eines Markenherstellers war die Migros bei mir  als Alleskopiererin verpönt. Zudem suchten sie einen PR-Leiter. Und über diese Ausbildung verfügte ich nicht. Aber der damalige Migros-Bern-Chef, Peter Everts, wollte – ­
wie er mir später verriet – einen ungewöhnlichen Zeitgenossen. Und mit «ungewöhnlich» konnte ich dienen!  

Es war dann auch eher so, dass sich die Kommunikation der Migros Bern, später Aare, dir anpasste als umgekehrt!
Findsch? (wir beide lachen) Ja, stimmt schon. Ich war immer ich. Und hab mich auch für einen Job nie verbogen. Ich kam in Pullover und Jeans, niemals mit Krawatte, und ich sagte, was es zu sagen gab, auch wenn das teilweise unangenehm war. Und ich finde noch immer: Wer einen Fehler macht, soll hinstehen und sich entschuldigen. 

Du hast ja beispielsweise weder die Antworten an die Presse noch die AareInfo, das interne Mitarbeitenden-Magazin, jemals von deinen Chefs freigeben lassen!
Warum denn auch? Ich war einfach ehrlich und grediuse. Auch gegenüber meinen Vorgesetzten. Das wurde enorm geschätzt und ich genoss deshalb ihr Vertrauen. Meine Rolle umschreibe ich immer gerne mit der eines Hofnarren. Jede Organisation sollte übrigens meiner Ansicht nach einen solchen haben. Ein Hofnarr provoziert und regt dadurch zum Nachdenken, Umdenken und Andersdenken an. Leute, die einem nur hübsch nach dem Mund reden, bringen niemanden weiter. 

So haben dich auch wichtig klingende Ausbildungen und Titel nie beeindruckt?
Absolut nicht. Du kennst ja mein damaliges Visitenkärtli?

Thomas Bornhauser, K+K, Mitglied HNVT?
Genau: HNVT stand für «Hält Nichts Von Titeln»!

Wovon du hingegen immer sehr viel hieltest, war – wie erwähnt – Ehrlichkeit und Gerechtigkeit. Dafür setztest du dich mit Leidenschaft ein.
In der Tat. Das gehört zu meiner DNA. So übernahm ich auch die Kommunikation für den Verein «Fairness im Fall Zwahlen». Weil unser Staat den Mann einfach von Anfang an verurteilt hatte.

Zu Unrecht? 
Ehrlich, ich weiss es wirklich nicht. Mir ging es um die Sache, um die Art und Weise. Dass für die Polizei und später auch die Richter einfach immer klar war: Das ist der Mörder. Obwohl Zwahlen dies bestritt, sich nie in Widersprüche verstrickte und ihm die Schuld nie mit handfesten Beweisen nachgewiesen werden konnte. Es war ein reiner Indizienprozess und es wurde nie in eine andere Richtung ermittelt. Schliesslich muss in unser aller Interesse sein, dass unser Rechtsstaat korrekt funktioniert und wirklich für alle das gleiche gilt.

Lügen aufdecken gehörte ebenfalls zu deinem Spezialgebiet – da gibt es eine nette Episode mit dem BärnerBär, Geschichte Nr. 29!

(lacht laut) Ach ja, meine Güte, war das peinlich! Ich war damals einer der Flüsterer für den Bären und kam in dieser Funktion zu einem super-heissen Tipp, der eine Ungereimtheit um den damaligen Chefredaktor der Berner Zeitung aufdecken konnte. Flugs tippte ich mit spitzer Feder süffisant die enthüllenden Zeilen und –
das war noch vor der E-Mail-Zeit – sandte sie per Fax an die Redaktion des BärnerBär. Meinte ich zumindest. Denn was ich kurz darauf auf dem Display sah, war die Redaktionsnummer der Berner Zeitung, die ich stattdessen gewählt hatte … !

Und, hast du dich entschuldigt?

Das habe ich. Allerdings erreichte ich an diesem Tag den Chefredaktor nicht persönlich, entschuldigte mich aber immerhin bei einem Mitglied des Verwaltungsrates. Der Chefredaktor hat mich später nie darauf angesprochen, aber immer, wenn wir uns begegnet sind, sagte er: «Guten Tag Herr … Herr … ehh, tuet mir leid, ig vergisse eue Name immer.» Hat Stil, finde ich!

Das hinderte dich nicht daran, auch weiter als Aufdecker tätig zu sein. Da gab es ja einige Knaller in deinen Büchern?
Ja, ich habe wirklich einige brisante Dinge aufgedeckt. Von einem Berner Sportarzt, der keiner ist, von Autoschiebern, die auch an Schweizer Garagen geklaute Originalersatzteile verkaufen … aber nichts geschah. Keine Reaktion. Weil wohl einfach nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn handeln und Verantwortung übernehmen ist deutlich mühsamer, als einfach wegzuschauen.

Wegschauen war definitiv nie deine Art. Wenn du zurückschaust: Würdest du etwas anders machen?
Nein. Würde ich nicht. Ich hatte zwar nie einen genauen Lebensplan, aber ich war offen, neugierig und packte die Chancen, die sich mir boten und die mir Spass machten. Natürlich hatte ich auch wahnsinnig viel Glück und war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was mir leid tut ist einzig, dass ich mit meiner impulsiven Art vielleicht ein paar Menschen verletzt habe. Das war nie meine Absicht. 

Und all diese Geschichten sind dir echt so passiert? 
Sie klingen tatsächlich manchmal wie erfunden, das geb ich zu. Aber als Echtheits-Beweis dient vielleicht die Tatsache, dass mich meine Frau diesmal nicht zur Vernissage begleitete, weil sie fand, sie kenne alle diese Stories in- und auswendig! 

Du machst definitiv nicht den Eindruck eines verbitterten Rentners!
Im Gegenteil. Ich bin einfach nur dankbar, dass ich in der besten aller Zeiten leben und so unglaublich viel erleben durfte. Mich dünkt es sehr mühsam, wenn Altersgenossen immer nur herummotzen und von der Vergangenheit schwärmen. Gerade in der Schweiz haben wir es derart gut, dass ich dieses Gejammere wirklich nicht verstehen kann. 

Aber es ist ja schon nicht so einfach, wenn man plötzlich so gar nicht mehr gefragt ist?
Man weiss aber, dass das so kommt. Als ich meinen Job an dich übergab, interessierte sich von heute auf morgen keiner aus dem Berufsumfeld mehr für mich. Keiner wollte mich mehr an einer Eröffnung oder einem Event dabeihaben. Ausser vielleicht das Theater Gurten! Aber darauf kann man sich vorbereiten. Und sich überlegen, wie man seinem Alltag nach der Pensionierung Struktur geben kann. Sei das mit Schreiben – wie in meinem Fall – oder vielleicht mit Freiwilligen-Arbeit. Wie auch immer. Man sollte etwas haben, das einen erfüllt. 

Wie geht’s denn bei dir weiter?
Ich freue mich jetzt einfach auf alles, was noch kommt. Auch wenn ich noch nicht so genau weiss, was das sein wird!

Foto: Daniel Zaugg

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