Man schrieb das Jahr 2011, beim Grand Prix von Bern, der grössten Laufveranstaltung der Schweiz, galt es, einen neuen Präsidenten zu wählen. Dass Mike Schild, damals und auch heute noch Rennleiter und Geschäftsführerin Bea Fuchs auf der Suche nach einem Nachfolger für Urs Stauffer mit Matthias Aebischer das Gespräch suchten, war logisch und wenig überraschend. Aebischer war zwar mit seiner Kandidatur in den Nationalrat voll beschäftigt, doch als Sportler vom Scheitel bis zur Sohle fühlte er sich geehrt und sagte ohne langes Zögern zu.
Am kommenden Samstag wird Aebischers Zeit als OK-Präsident zu Ende gehen. Ein letztes Mal wird er noch zusammen mit seiner Nachfolgerin, der Nationalrätin Andrea Zryd, im Vorfeld einige wichtige Aufgaben übernehmen, doch dann ist endgültig Schluss. Wie an allem, das er in Angriff nimmt, findet Matthias Aebischer auch an seinem Rücktritt eine positive Seite. «Jetzt kann ich endlich wieder selbst mitlaufen. Nach zwanzig aktiven Teilnahmen war dies während meiner Präsidialzeit leider nicht mehr möglich. Am Samstag werde ich mit meiner Frau wieder am Start stehen.» Seine Bestzeit von 1:05 wird er nicht erreichen, das ist auch nicht das Ziel. Er wird wohl unterwegs die eine oder andere Hand schütteln müssen und in gemächlicherem Tempo auf den zehn schönsten Meilen der Welt auch im Gespräch politisieren können; denn bekanntlich ist seine Frau niemand anderes als die Zürcher Ständerätin Tiana Angelina Moser.
Zahlreiche Höhepunkte
Wie in seinem ganzen Leben hatte Matthias Aebischer auch als GP-OK-Präsident den Erfolg gepachtet. Vom Lokalradio-Journalisten bei Radio Förderband zum Sportredaktor, Moderator der Tagesschau, Kassensturz und Club bei SRF, dann die Wahl in den Nationalrat und schliesslich in den Gemeinderat von Bern – was Aebischer auch immer anpackte, sein Weg zeigte steil nach oben und war stets von Erfolg gekrönt.
Unser Gespräch dauert länger als geplant, denn die Frage nach den erlebten Höhepunkten als Chef des GP gäbe durchaus genügend Stoff für ein verlängertes Wochenende in einer ruhigen, abgelegenen Berghütte.
Die Fotos, die uns der abtretende Präsident, der nach seiner Wahl in den Gemeinderat auch von all seinen Ämtern in Vereinen und Stiftungen zurückgetreten ist, zur Verfügung stellt, zeigen einige der Glanzpunkte in den vergangenen 14 Jahren. «Das absolute Highlight war zweifellos die Teilnahme von Haile Gebrselassie im Jahr 2013. Ein mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister am Grand Prix, das war für mich das absolute Glanzlicht. Ihn vergleiche ich mit anderen ehemaligen überragenden Langstreckenläufern wie den Finnen Lasse Virén und Paavo Nurmi oder dem Tschechen Emil Zatopek.» Aebischer strahlt, wenn er von Gebrselassie erzählt. «Er hatte damals im Sinn, auch in die Politik einzusteigen, deshalb zeigte ich ihm das Bundeshaus; er war von Nationalratssaal beinahe so begeistert wie wir alle ob seiner Anwesenheit». Auch Anic, die ihn vor dem Ziel mit der Bemerkung überholte, «Dich wollte ich unbedingt schlagen», als er ausnahmsweise während der Pandemie mitlaufen konnte, hat Aebischer nicht vergessen.
Das Traum-OK
Ins Schwärmen gerät der Hobbyläufer, der auch im Fussball gute Figur macht, wenn er über den Vorstand und die Geschäftsstelle des Grand Prix ins Erzählen kommt. «Dieses Team ist eine echte Sensation. Zuverlässig, fantasievoll und innovativ. Andere Läufe haben immer wieder von uns abgeschaut.» Aebischer kann im Rückblick viele Erfolge verzeichnen. Die gesamte Digitalisierung, das gedeihende Sponsoring, die stets wachsende Teilnehmerzahl – zwischenzeitlich gestoppt durch Corona – die grosse Anzahl von Läuferinnen und Läufern mit Weltklasseformat, all dies geschah in der Zeit von OK-Präsident Matthias Aebischer, der so lange im Amt war wie keiner seiner Vorgänger, zu denen auch Alt-Bundesrat Dölf Ogi zählt. «Von den rund 30 000 Läuferinnen und Läufern, die in jedem Jahr am Start stehen, sind rund die Hälfte im nächsten Frühsommer wieder dabei. Unsere Aufgabe ist es, die Fehlenden durch neue Aktive zu ersetzen, ein nicht ganz leichtes Unterfangen, das bisher jedoch stets gelungen ist», so Aebischer.
Schade, aber …
Als Sportler müsste man rückblickend die Wahl Matthias Aebischers in den Gemeinderat bedauern, denn auch beim Grand Prix war der Erfolg sein ständiger Begleiter. Seine Nachfolgerin Andrea Zryd wird in grosse Fussstapfen treten. Als Interesessierter am Geschehen in der Bundesstadt sieht die Betrachtungsweise etwas anders aus. Gut, dass die Berner SP auch Politiker vom Format Matthias Aebischers in ihren Reihen hat und er statt beim GP jetzt im Gemeinderat tätig ist.



Fotos: Andy Mettler, zvg