Der Excellence Day von GS1 Switzerland bietet Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einen praxisnahen Austausch für eine nachhaltige, zukunftsfähige Wirtschaft. Ein Highlight war die Keynote von Richard David Precht, der die Rolle der Künstlichen Intelligenz aus philosophischer Sicht betrachtete.
«Philosophie ist Scheisse für Fortgeschrittene», soll Fussballer Zlatan Ibrahimović einmal gesagt haben. Der deutsche Philosoph Richard David Precht begann seine Rede mit genau diesem Zitat – und stellte die Frage: «Braucht KI überhaupt Philosophie?» Wie sich in den folgenden 30 Minuten herausstellen sollte: unbedingt.
Precht riet dazu, in Zeiten des Wandels die Perspektive zu wechseln. «Wer etwa mit jungen Vietnamesen in Saigon spricht, erlebt einen motivierten, positiven Blick auf die Zukunft.» Historisch betrachtet hätten technologische Revolutionen die Gesellschaft stets tiefgreifend – und eigentlich immer zum Besseren – verändert. Precht selbst jedenfalls ist optimistisch: «Ich stamme aus einer Familie von Pessimisten. Die werden mit jeder Bestätigung nur noch pessimistischer. Deshalb stehe ich dem Leben lieber positiv gegenüber, das ist für einen selbst und auch fürs Umfeld viel angenehmer. Auch wenn ich dann und wann halt mal enttäuscht werde.»
Angesichts von KI sei die Angst vieler Menschen zwar gross, künftig überflüssig zu werden. Dagegen spreche aber vieles, allem voran das Menschliche. Klar lasse sich ein Roboter empathisch programmieren, so dass er mitfühlend klinge, etwa mit Floskeln wie ‘das tut mir leid‘. Doch: «Der Chatbot lügt, wenn er das sagt. Denn effektiv fühlt er nichts. Er hat kein Ich, keine Identität», so Precht. Der Mensch hingegen entscheide immer aus dem Gefühl heraus. «Unser Verstand ist nur die Marketingabteilung des Gehirns und rechtfertigt, was emotional längst entschieden ist.» Das mache Menschen moralfähig. Ein Aspekt, der Maschinen auf absehbare Zeit verschlossen bleibe. «Denn auch Moral ist Gefühlssache.»
Daher sein Plädoyer: KI sollte vor allem dort zum Einsatz kommen, wo es nicht um emotionale oder moralische Entscheidungen gehe. Etwa bei Routinearbeiten oder Analysen, denn dort könne sie Freiräume schaffen. «Auf lange Sicht kann dadurch eine Sinngesellschaft entstehen, in der die Arbeit nicht mehr alles dominiert.» Noch aber sei man davon strukturell weit entfernt. «Solche Prozesse dauern eigentlich immer länger als gedacht», so Precht.
Tröstlich sei aber doch immerhin, dass Roboter – anders als in vielen Science-Fiction-Filmen – nicht aus Hass, Neid, Geld- oder Machtgier handeln könnten. «Sie kennen solche Gefühle nicht. Der Mensch hingegen trägt dieses animalische Erbe in sich.»
Vielleicht könne gerade deshalb eine Superintelligenz die Welt sogar um einiges besser machen, mit rationaleren, gefühlsunabhängigen Lösungen. Etwa beim Energieverbrauch oder bei vielen anderen globalen Herausforderungen.
Das ist doch ein sehr schöner und für die Zukunft hoffnungsvoller Gedanke. Foto: GS1 Switzerland